Fans erzählt man da vermutlich nichts Neues, aber es ist doch immer wieder eine Erwähnung wert: „Alarm für Cobra 11“-Star Erdogan Atalay hat das Herz am rechten Fleck! „Familie ist sehr wichtig für mich“, betont der Schauspieler im Interview, nachdem er ein paar kleine Anekdoten über seine jüngste Tochter Matilda erzählt hat. Eine Einstellung, die er mit dem Serienhelden Semir Gerkhan gemeinsam hat, den er seit 1996 in der RTL-Actionserie verkörpert. An der Seite von Pia Stutzenstein, die Gerkhans Teampartnerin Vicky Reisinger verkörpert, ist Atalay ab Dienstag, 10. Januar, in drei neuen Folgen zu sehen – ab sofort wird in spielfilmlangen Folgen erzählt. „Mir macht es total Spaß, die Rolle Semir Gerkhan zu spielen“, erklärt der 56-Jährige. „Klar wäre es schön, für eine längere Zeit andere Projekte zu übernehmen, aber es ist nicht so, als würde mir ‚Alarm für Cobra 11‘ langweilig werden.“ Die Antwort auf die Frage, welches Auto er bei den Dreharbeiten bisher am liebsten gefahren ist, klingt übrigens genauso rasant wie sein Fahrstil als Autobahncop.
teleschau: Herr Atalay, Semir ist ein echter Familienmensch. Was bedeutet Familie für Sie?
Erdogan Atalay: Alles. Familie ist sehr wichtig für mich. Ein Leben ohne sie kann ich mir nicht mehr vorstellen. Das ist das Einzige, was bleibt. Man wird alleine geboren und geht auch wieder alleine von der Welt. Dazwischen hat man natürlich – wenn man Glück hat – eine Zeit, die man mit seiner Familie verbringen kann und zieht Kinder auf. Was in dieser Zeit allerdings sehr schwierig ist. Man muss sich genauer überlegen, welche Werte man mitgeben soll.
teleschau: Inwiefern?
Atalay: Die Welt ist ein bisschen konfus geworden. Informationsfluten ohne Ende, manchmal weiß man gar nicht mehr, was man glauben soll. Da einen Weg zu finden, das zu verstehen und es den Kindern zu erklären, ist schwierig.
teleschau: Haben die aktuellen Krisen und das Vatersein Ihre Sichtweise auf die Welt verändert?
Atalay: Definitiv! Vor allem ist da die Erkenntnis, dass wir als Menschen nicht dazulernen. Das war immer so und wird wahrscheinlich auch so bleiben. Es wurden so viele Antikriegsfilme gedreht und Antidemonstrationen gegen Kriege gemacht, aber das bringt alles nichts.
„Das wird gnadenlos ausgeschlachtet“
teleschau: Finden Sie?
Atalay: Ja. Wir haben mehr Kämpfe als zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, das ist grotesk. Letzten Endes geht es immer um politische Fragen und Gelder, die hin- und hergeschoben werden. Für die Menschen interessiert sich doch keiner. Der Otto Normalverbraucher hat dann einfach Pech gehabt und ist ein Spielball zwischen den Gewalten der imperialistischen Ideen. Das gilt für so viele Bereiche: Was wir uns gegenseitig antun, ist schrecklich. Das wissen wir alle, aber wir tun so, als wäre das nicht der Fall.
teleschau: Und woran könnte das liegen?
Atalay: Tja, das fragen die Kinder auch: „Warum?“ Das zu erklären, ist echt kompliziert. Meine These: Zu viele Menschen halten sich nicht an die Regeln. Oder aber sie denken, man muss nur das tun, was einem vorgeschrieben wird, auch das finde ich furchtbar. Also gebe ich meinen Kindern mit, dass sie jede Sekunde ihres Lebens genießen sollen, weil keiner weiß, was kommt. Und dass sie nicht alles glauben sollen, was ihnen gezeigt wird. Denn die Medien, für die ich ja selber gewissermaßen arbeite, tun Ihres dazu, permanent Angst zu schüren.
teleschau: Glauben Sie?
Atalay: Ja. Es verläuft nach dem Motto: „Only bad news are good news.“ Hauptsache, es ist grausam, und alle springen drauf. Aus der Evolution heraus sind wir so gepolt, da haben wir Pech gehabt: dass wir nach Lebensgefahren Ausschau halten, und deshalb springen wir auf solche Sachen an. Dagegen kann man sich nicht wehren, weil das ein Urinstinkt ist: eine Sicherheit zu suchen und sich und die Familie vor Gefahren zu schützen. Das wird gnadenlos ausgeschlachtet. Als Erwachsener geht man damit anders um als Kinder, die so vielen Medien ausgesetzt sind. Sei es Instagram oder Facebook. Manchmal frage ich mich, wie die Kleinen das alles verarbeiten. Wahrscheinlich haben die Leute früher ruhiger gelebt, weil sie nicht so viel wussten (lacht).
teleschau: Sehen Sie sich als Schauspieler mit einer gewissen Funktion in diesem Chaos?
Atalay: Politisch gesehen überhaupt nicht. Ich bin kein politischer Mensch, zumindest öffentlich nicht. Aber ich engagiere mich als Botschafter für die Kinderhilfsorganisation „Die Arche“. So etwas liegt mir sehr am Herzen, es ist das einzige, womit ich wirklich etwas bewegen kann. Wir haben in Deutschland 3,8 Millionen Kinder an oder unterhalb der Armutsgrenze, Tendenz sogar steigend. Wenn das so weitergeht, wird eine große Armutswelle auf uns zurollen, weil die Leute nicht über die Runden kommen. Dann geht es nicht mehr um neue Autos oder Waschmaschinen, sondern auch um das Essen.
„Mit E-Mobilität kann ich nichts anfangen“
teleschau: Was soll Ihrer Meinung nach getan werden?
Atalay: Ich fände es toll, wenn es eine „Social Card“ oder Freikarte für Menschen geben würde, die an der Armutsgrenze leben müssen – damit die Kinder zum Beispiel Vereine besuchen oder ins Kino gehen können. Die Beträge würden dann vom Sozialstaat bezahlt werden. Oder von Leuten, die das Problem nicht haben. Mit so was könnte man Kinder einfacher in die Gesellschaft eingliedern. Allein Schulhefte zu kaufen, kostet mittlerweile ein Vermögen. Aber es wird schon etwas getan, was man auch beim „RTL Spendenmarathon“ gesehen hat. Über 40 Millionen Euro sind am Ende zusammengekommen.
teleschau: Weil das Thema Klima- und Energiekrise auch in aller Munde ist – glauben Sie, dass ein Format wie „Alarm für Cobra 11“ in einer auf E-Mobilität und Schiene gedrehten Gesellschaft noch funktionieren würde?
Atalay: „Cobra 11“ kann immer funktionieren, da könnten wir E-Autos in die Luft sprengen lassen (lacht)! Für die Dreharbeiten bin ich auch mal einen Tesla gefahren. Aber komplett auf E-Autos umsteigen, werden wir wahrscheinlich nicht. Ich muss auch ganz ehrlich sagen: Ich liebe den Geruch von Benzin und Kerosin. Ich bin ein absolutes Kind aus dem Benzinzeitalter. Das Geräusch von V8-Motoren ist für mich ein Highlight. Mit E-Mobilität kann ich nichts anfangen. Ich finde es gut, dass man das macht, aber ob das umwelttechnisch was bringt … Da gibt es verschiedene Meinungen. Es ist dennoch Fakt, dass E-Mobilität in unserer Gesellschaft nicht funktionieren wird, weil wir diese Energie gar nicht haben. Stromtechnisch können wir uns das nicht leisten.
teleschau: Welches Auto sind Sie bei „Alarm für Cobra 11“ am liebsten gefahren?
Atalay: Ferrari (lacht)! Den habe ich aber böse aufgesetzt, weil ich gegen die Kurve geschleudert bin. Wir hatten auch Lamborghinis und Sportwagen am Set, das finde ich immer super. Zwar achten wir drauf, dass bestimmte Autos nicht kaputtgehen, aber manchmal kann das schon passieren, dass die Fahrzeuge in Mitleidenschaft gezogen werden. In meiner ersten Woche am Set habe ich einen neuen BMW zu Schrott gefahren. Im Gegensatz zu damals wäre so was heute viel schlimmer, und es hat sich einiges geändert. Früher hatten wir zwei Helikopter, jetzt eine Drohne.
„Es ist wie ein Märchen für Erwachsene und Kinder“
teleschau: Sie sind seit 1996 bei „Alarm für Cobra 11“. Reizt es Sie nicht, längerfristig andere Rollen zu übernehmen?
Atalay: Mir macht es total Spaß, die Rolle Semir Gerkhan zu spielen. Klar wäre es schön, für eine längere Zeit andere Projekte zu übernehmen, aber es ist nicht so, als würde mir „Alarm für Cobra 11“ langweilig werden. Das hat etwas mit dem Umstand zu tun, dass sich die Serie ständig verändert. Die emotionale Bandbreite ist – besonders in den neuen Folgen – sehr groß, was bei anderen Serien nicht so ist, finde ich. Jetzt setzen wir wieder stärker auf das Entertainment – im 90-Minuten-Format funktioniert das besser. Ich liebe „Alarm für Cobra 11“ und würde das auch schauen, wenn ich da nicht mitspielen würde. Es ist wie ein Märchen für Erwachsene und Kinder.
teleschau: Semir erwartet nicht nur neue Fälle, sondern auch private Veränderungen: Er wird Opa. Wie war das für Sie, den Großvater zu spielen?
Atalay: Ich fand das lustig und melancholisch zugleich. Als mein Vater noch gelebt und die Serie geschaut hat, meinte er zu mir: „Junge, du spielst den alternden Polizisten echt gut.“ (lacht) Man darf auch nicht vergessen, dass ich 56 bin und älter werde. Doch trotzdem bleibt man als Schauspieler immer noch Kind – zum Leidwesen meiner Frau wahrscheinlich (lacht). Doch mit der Tatsache, dass Semir Opa wird, fällt mir erst auf, wie lange ich schon dabei bin. Für viele Jahre habe ich das nie nach außen getragen, weil mich das nicht interessiert hat. Doch irgendwann merkt man, dass die Serie auch generationsübergreifend.
teleschau: Wie werden Sie einmal mit dem Alter fertigwerden?
Atalay: (lacht) Ich wäre bestimmt wütend über mich selber, weil ich bestimmte Sachen nicht mehr machen kann. Zum Beispiel die Treppen nicht mehr alleine hochlaufen. Das Alter ist eine nebulöse Angelegenheit, mit der man sich erst mal nicht auseinandersetzt. Man kann gegen das Älterwerden schließlich nichts machen. Eine Alternative wäre, früh zu sterben, was ich jetzt nicht in Erwägung ziehe (lacht). Ich habe auch zu meiner ältesten Tochter gesagt: ‚Rede bitte, wenn ich älter werde, nie mit mir wie ein Kind!‘ Das möchte ich auf keinen Fall.
teleschau: Also, wovor fürchten Sie sich, wenn Sie ans Alter denken?
Atalay: Im Alter wird man unsichtbar, und ich will so lange für voll genommen werden, bis ich den Löffel abgebe.